Carmina burana

Im ehemaligen Stadtbad und in der Meyer-Werft

Es ist zwar eine klösterliche Handschrift, die das Libretto für die wohl berühmteste Komposition von Carl Orff abgegeben hat. Aber eine Aufführung in einer Kirche rechtfertigt diese Tatsache allein noch nicht. Denn deren Bezeichnung als cantiones profanae, sprich ›weltliche Lieder‹, könnte – wie der damalige Kantor Carsten Klomp 1994 im Programmheft zur Aufführung schreibt – »durchaus noch das Wörtchen ›sehr‹ vorangestellt werden«, insofern sie »zum Teil recht drastisch die Freuden des Saufens, Fressens, Liebens und Spielens, verbunden mit heftigen Angriffen auf Kirche und Gesellschaft«, beschreiben. Doch Chorleiter und Chor wollten das Werk gerne aufführen. So fand sich ein ungewöhnlicher, aber – wie sich herausstellte – sehr geeigneter Aufführungsort, den es mittlerweile nicht mehr gibt, das so genannte ›Design-Labor‹, besser bekannt unter dem Namen ›ehemaliges Stadtbad‹.

Carmina Stadtbad
Im ehemaligen Stadtbad, Juli 1994

Das Orchester saß im ehemaligen Nicht­schwimmer­becken, der Chor war über Eck am Beckenrand postiert, das Publikum saß auf den Zuschauer­rängen. Bei hoch­sommer­lichen Temperaturen wurden in schweiß­treibender Arbeit der Kantorei­mitglieder Stühle und Podeste für den Chor, das Orchester und das Publikum aus dem nahen Schifffahrts­museum und der Pauluskirche herbei­transportiert. Das Konzert wurde ein großer Erfolg und sorgte nicht zuletzt des Aufführungs­ortes wegen für besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Wann kann man schon einmal ein großes Orchester mitsamt Dirigenten und Kinderchor in einem leer gepumpten Schwimm­bad­becken erleben?

Für die Damen und Herren der ›Sinfonia Silesia‹, Mitglieder des Nationalen Rundfunk­sinfonie­orchesters Kattowitz / Polen, stellten die Kantorei­mitglieder Privat­quartiere bereit. Da die Carmina burana am Tag nach dem Bremerhavener Konzert in einer Halle der Meyer-Werft in Papenburg wiederholt wurden, war genügend Zeit für eine herzliche Begegnung mit den Gästen.

Open Air in Nordenham und in den Havenwelten

Carmina burana 7.2012-4
Open Air auf Gut Schützfeld in Nordenham, Juli 2012

Knapp zwei Jahrzehnte später, 2012, realisierte Eva Schad ihren lang gehegten Plan, die Carmina burana Open Air aufzuführen. Das rhythmus­betonte Werk ist mit seiner großen Schlagzeug­besetzung wie geschaffen für die Open-Air-Bühne, zumal es von Carl Orff selbst eine Fassung gibt, in der das große Orchester auf nur zwei Klaviere und Schlagzeug reduziert ist. In dieser Besetzung ist es möglich, alle Ausführenden – die Stadtkantorei samt Kinderchor, drei Sänger und die Instrumentalisten – auf einer 9mal6 Meter kleinen Bühne unterzubringen. Im Rahmen von ›Klassik im Park‹ organisierten drei musikalisch wie planerisch bestens aufeinander eingespielte Kammerchor­sänger – Petrus Klan, Bruno Fröhlich und Stefan Tönjes – einen perfekten Sommerabend. Auf das Eröffnungs­konzert der Jugendchöre, die später am Abend den Kinderchorpart der Carmina Burana übernahmen, folgte ein Beitrag von Vasilly und Adrian Rusnak, die mit stimmungs­voller Salonmusik zur Carmina-Aufführung am lauen Sommerabend überleiteten. Die rund 1000 Zuschauer saßen an Tischen, fein eingedeckt mit köstlichen Speisen und Getränken, und erlebten die Carmina Burana in einem traumhaften Ambiente.

Einen Tag später wurde das Chorpodest von fleißigen Chorherren mit Anhängern zu den neuen ›Havenwelten‹ gegenüber dem Restaurant ›Lloyds‹ transportiert. Mehrere hundert Zuhörer erlebten die dortige Aufführung am Sonntag den 8. Juli 2012, vor Regen und heftigem Wind notdürftig geschützt durch die vorsorglich bestellten Partyzelte. In der Nordseezeitung vom 10. Juli 2012 berichtet Ulrich Müller:

Der mächtige, von Eva Schar dirigierte Chor sang sauber und präzise, war dank der Lautsprecher überall auf dem Platz bestens zu hören. […] Dazu leise im Wind knatternde Planen, umschlagende Schirme und knisternde Regenmäntel – Open Air hat in Bremerhaven seine ganz eigene Atmosphäre.

Ballettinszenierung im Stadttheater Bremerhaven

Carmina burana Stadttheater 6.2012
Stadttheater Bremerhaven, Juni 2012

Wie bereits 1995 wurden die Carmina burana auch 2012 wieder für eine Ballett-Inszenierung ins Programm des Stadttheaters genommen. Dieses Mal übernahmen die Stadtkantorei und der Bach-Chor die Chorpartie gemeinsam mit dem Opernchor des Stadttheaters Bremerhaven. Der Inszenierung und dem Bühnen­konzept folgend, mussten alle Sängerinnen und Sänger in einem mehrstöckigen, sechs Meter hohen ›Amphitheater‹ einreihig im Halbkreis stehend singen, was Kapellmeister Stefan Veselka einige Koordinations­schwierigkeiten bereitete. Nach der Premiere vom 31. März 2012 gelang das Experiment von Aufführung zu Aufführung besser – und die zahlreichen Vorstellungen im stets ausverkauften Stadttheater bedeuteten für viele Chorsänger eine wohltuende Abwechslung zur Knochenarbeit an Benjamin Brittens War Reqiem, das die Kantorei zeitgleich für ihr Herbstkonzert 2012 vorbereitete.

Video

Carmina burana 7.2012-13

Carl Orff: Carmina burana, ›O fortuna‹, Gut Schützfeld Nordenham, Juli 2012

Carl Orffs ›Carmina burana‹ mit dem Ballett des Stadttheaters Bremerhaven, Juni 2012