Oberlausitz 2019

Chorreise zum 25-jährigen Bestehen des Bremerhavener Kammerchores

Alle fünf Jahre unternimmt der Bremerhavener Kammerchor eine Konzert­reise. Im Jubiläums­jahr 2019 sollte es ein besonderes Ziel sein. Zunächst fiel die Wahl auf Wien, was nach Florenz, Rom, Madrid und Dresden ein schönes Reiseziel gewesen wäre. Aber es kam anders: Es wurde die Oberlausitz, wärmstens empfohlen und bestens organisiert von den Chormitgliedern Monika und Dieter Janus.

In Orten wie Görlitz, Oybin, Seifhennersdorf, Zittau und Herrnhut war der Bremerhavener Kammerchor in diesem Oktober in ganz besonderen Kirchen zu Gast: Dort erklangen zum 25-jährigen Jubiläum des Chores Motetten u.a. von Schein, Poulenc, Grieg und Nystedt, sowie von Gründungs­mitglied und Chor­sänger Volker Nagel-Geißler und von Timothy Sharp, häufig Solist bei Oratorien­konzerten in der Christuskirche.

Der Chor musste sich jeweils vor Ort allerlei Heraus­forderungen stellen, denn Akustik und Bauweise der Kirchen waren sehr unterschiedlich. So hatte die Peterskirche in Görlitz einen Nachhall von sieben Sekunden, in der Bergkirche in Oybin jedoch klang der gesungene Ton ganz direkt, ohne sich weiter im Raum zu entfalten. Diese an und in einen Berg gebaute Barock­kirche fühlte sich aber nicht nur klanglich, sondern auch aufgrund ihrer Bauweise an wie ein Theater: Die Zuhörer sitzen in aufsteigenden Reihen vor dem Altar.

Aber auch Kantorin und Organistin Eva Schad bewältigte in den Kirchen besondere Heraus­forderungen, denn sie leitete nicht nur den Kammerchor, sondern musste auch innerhalb kürzester Zeit mit sehr verschiedenen Orgeln zurecht­kommen. So erwarteten sie historische, pneumatische und mechanische Instrumente, mal ganz große mit 100 Registern auf vier Manuale verteilt, auf denen Werke von Karg-Ehlert, Reger und Schumann klanglich besonders beeindruckten, mal nur einmanualige, auf denen Lied­variationen von Samuel Scheidt filigran darstellbar waren. Höhepunkt war jedoch gewiss die Görlitzer Sonnen­orgel mit ihren 88 Registern und allerlei zusätzlichen Klangeffekten wie Gezwitscher, Kuckucks­rufen, Trommeln und Zimbeln.

Auf der Reise wurden viele Orte besichtigt. Dabei erfuhren die Chormitglieder so einiges über Umgebindehäuser in Obercunnersdorf oder über die unglaublich aufwendige Herstellung von Damast im Damast- und Frottiermuseum in Großschönau. Ferner besichtigten die Sängerinnen und Sänger auch Orte wie Herrnhut, bekannt durch die gleichnamigen Sterne, und Bautzen, bekannt durch den dort hergestellten Senf. Dass beide Orte aber auch eine besondere Geschichte haben, erschloss sich erst durch den Besuch u.a. eines historischen Friedhofes in Herrnhut, auf dem viele Menschen, die zur Bruderschaft der Herrnhuter Gemeinde gehörten, begraben sind.

In Bautzen gab es kein Konzert, dafür aber eine besondere Stadtführung durch eine sorbische Fremdenführerin, die in ihrer Tracht viel von den Sorben in Bautzen erzählte. Ein spontanes Straßenkonzert vor einem sorbischen Restaurant zur Begrüßung der Restaurantchefin ließ auch Angestellte aus ansässigen Geschäften lauschen, und anschließend wurde dem Chor kräftig applaudiert.

Insgesamt war die Jubiläums­reise eine tolle Fahrt in eine Region Deutschlands, die vielen Chor­mitgliedern zuvor unbekannt war. Dabei gab es immer wieder Begegnungen mit vielen, sehr freundlichen Menschen und allerorts überaus dankbare Zuhörerinnen und Zuhörer. Im kleinen Örtchen Seifhennersdorf besichtigte der Chor die Piano- und Flügel­manufaktur Bechstein. In einer Führung wurden alle Schritte bis zur Fertigstellung eines Flügels oder Klaviers gezeigt. Am Ende konnte Eva Schad auf verschiedenen Flügeln spielen und dabei zeigen, wie unterschiedlich selbst zwei ›baugleiche‹ Flügel klingen können. Da hier wirklich noch viel von Hand gearbeitet wird, verwundert es nicht, dass diese Instrumente ihren Preis haben.

Ein schöner Höhepunkt war die Fahrt mit einer Schmalspur­bahn von Zittau nach Oybin ins Zittauer Gebirge. Diese Bahn wird, historisch korrekt, von einer Dampf­lokomotive gezogen, und die knapp einstündige Fahrt wurde zu einem besonderen Erlebnis.

Katja Asmussen