Polen 2008

Vom 12. bis zum 20. Juli 2008 entdeckten 83 Sänger und Sänger­innen, zum Teil mit Familien­anhang im Schlepptau, allerhand Neues im Osten. Unter der kompetenten Führung des Polenfans und Hochschul­lehrers Hans Rummel und der musikalischen Leitung von Kreiskantorin Eva Schad gastierte die Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven in Gdingen (Gdynia) an der weiß­bestrandeten Ostsee­küste Polens.

Die Stadtkantorei erfuhr allerorts ökumenische Gast­freund­schaft: In der größten gotischen Back­stein­kirche der Welt, der Marienkirche in Danzig (Bild), durfte sie die katholische Sonntags­messe mit Klängen aus der ›Missa brevis‹ von Joseph Gabriel Rheinberger versehen. Gleichzeitig verwandelten die polnischen Zeremonien­meister die katholische Liturgie in einen himmlischen Lobgesang, der so manches Herz dahin­schmelzen ließ …

Auch die Jesuiten, bei denen der Bremerhavener Chor sein erstes vollständiges Konzert zum Besten gab, sparten nicht mit Lob und Blitzlicht­gewitter. Großer Beifall allerorts!

Eine Augen­weide und ein Klang­erlebnis ganz besonderer Art wurde der Kantorei in Oliva zuteil: In der dortigen Bischofs­kathedrale zelebrierten sechs katholische Würdenträger ihr 25-jähriges Priester­jubiläum. Das Gotteshaus war wie immer voll. Die Chor­mitglieder mussten sich sardinen­artig mit der wuchtigen Barock­orgel die Empore im hinteren Kirchen­schiff teilen. Dafür genossen sie einen einzig­artigen Blick auf die Zeremonie des Erzbischofs und seines Klerus. Eingegliedert in diesen ›herrlichen‹ Zug waren übrigens sechs junge Frauen in kaschubischer Landestracht – in Korrespondenz zu den klassischen sechs heiligen Frauen (Barbara, Monika, Brigitte, Theresa, Katharina, Margarethe), die in der katholischen Tradition Polens neben Maria an Seitenaltären verehrt werden. Kantorin Eva Schad war auch in dieser Situation ganz Frau der Lage und dirigierte die ›Chormasse‹ souverän durch die Messe.

Weitere Konzerte der Bremerhavener Stadtkantorei erklangen in den Kathedralen von Frauenburg (Frombork) und Karthaus (Kartuzy), in der Marienburg (Malbork, Bild) und am Abreisetag in der einzigen protestantischen Kirche der Dreistadt (Zoppot). Wo auch immer die Kantorei sang, der Höhepunkt eines jeden Konzerts war stets das polnische ›Vater unser‹ (Ojcze nasz) von Stanislaw Moniuszko, das eigens für die Polenreise einstudiert worden war. Dieses versöhnende, weltweit älteste Gebet aller Christen berührte die polnische wie die deutsche Seele gleichermaßen.

Den dichten Konzertplan wusste Reiseleiter Hans Rummel in abwechslungs­reiche Exkursionen durch die idyllischen Weiten der polnischen Landschaft einzubetten: endlose Getreide­felder, Kräuter­wiesen in Blüten­pracht, Störche an Straßen­rändern, Wild auf den Feldern… Die Ostsee lud zum Baden ein, die herrlichen Kiefern­striche zum Wandern über Kliffe, und riesige Dünen­züge verschlugen einem die Sprache. Schmucke, liebevoll und aufwendig restaurierte Städtchen versetzten so manchen, der vor 15 Jahren Polen bereist hatte, in höchstes Erstaunen.

Nach zumeist langen Tagen kamen auch die Gaumen der Sänger und Sängerinnen nicht zu kurz: Das Seemanns­heim in Prokowo offerierte auf seinem Außengelände einen romantischen Grillabend im Licht des aufgehenden Vollmondes. Mit fürstlichen Speisen auf weißen Tafeln versorgte man die Kantorei im Schloss Below, ritterlich deftiges Essen erwartete sie auf der Marienburg, und auch in einem (post-)sozialistischen Betriebs­ferienheim mundete die köstliche polnische Küche vorzüglich!

Die Konzertreise nach Polen war der Bremerhavener Stadtkantorei ein riesiger Lust- und Bildungs­gewinn und wird der neu gefestigten ›Chorfamilie‹ noch lange in Erinnerung bleiben.

Gudrun Oldenettel-Büttner